STAGE BREGENZ – Claudia Larcher – Me myself and I

STAGE Bregenz – die neue Messe für zeitgenössische Kunst und Design im Bodenseeraum, feiert ihre Premiere vom 22. bis 25. Februar 2024 im Festspielhaus Bregenz. www.stage–bregenz.artDie Galerie Lisi Hämmerle beteiligt sich mit einer Einzelausstellung von Claudia Larcher – Me myself and I, Stand C 16 – Werkstattbühne.

Ausstellung in der Galerie bis 2. März 2024: Rudi Klein – Maskenpflicht
(Galerie ist am 22. Februar wegen Eröffnung von STAGE BREGENZ geschlossen)

Nächste Ausstellung: Claudia Larcher – Blumen aus Plastik, Eröffnung am 23. März 2024 (23. März bis 27. April 2024)

Me myself and I
fotografische Arbeiten, 2021/2022

In ihrer künstlerischen Arbeit „Me myself and I“ beschreitet Claudia Larcher innovative Wege an der Schnittstelle von Kunst und Künstlicher Intelligenz, indem sie ein Generative Adversarial Network (GAN) einsetzt, um die Konzepte von Identität und Selbstwahrnehmung zu erforschen. Mit einer Auswahl von 350 digitalisierten analogen Fotografien aus ihrem persönlichen Familienarchiv bis zu ihrem 24. Lebensjahr speist Larcher ein GAN, welches neue Bilder generiert, die sowohl die Künstlerin repräsentieren als auch durch algorithmische Interpretation verfremden.

Die künstliche Intelligenz analysiert die Daten, erlernt Muster und Strukturen und erzeugt daraufhin Bilder, die als „Fake Identitäten“ bezeichnet werden könnten. Diese Identitäten sind fratzenhafte Nachbildungen des Selbst, seltsam verformt durch die begrenzte Datengrundlage, und reflektieren somit die inhärente Unzulänglichkeit maschineller Lernprozesse beim Umgang mit der Komplexität menschlicher Physiognomie und Identität.

In einem Akt der Rückführung transformiert Larcher diese digitalen Portraits in das Medium der Polaroid-Fotografie, wodurch die Künstlerin das ephemere digitale Produkt in ein taktiles, dauerhaftes Objekt umwandelt. Die Umkehrung von digital zu analog, von perfekt berechneten Daten zurück zu einer Form, die traditionell mit spontanen und authentischen Momentaufnahmen verbunden wird, hinterfragt die Authentizität und Beständigkeit digital generierter Kunst.

Die resultierende Montage aus Polaroids ist nicht nur eine Sammlung von Selbstbildnissen, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Grenzen und Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz in der zeitgenössischen kreativen Praxis. Larchers Werk verortet sich damit im Diskurs über die Verarbeitung und Repräsentation des Selbst in einer zunehmend digitalisierten Welt. Es hinterlässt Fragen nach der Definition des Ichs in einer Zeit, in der unsere Bilder und damit unsere Identitäten fragmentiert, vervielfältigt und manipuliert werden können – sowohl von uns selbst als auch von den Algorithmen, die unser digitales Zeitalter prägen.

 

Video: Me myself and I 5 min 30 sek, Stereo 2022

Die Dreiheit im Titel sagt im Prinzip schon alles: dass Identität im digitalen Zeitalter, zumal unter entsprechenden Bildproduktions- und Reproduktionsverfahren, einer unablässigen Vervielfachung ausgesetzt ist. Oder anders ausgedrückt: dass das Ich, man kann es auch das „digitale Subjekt“ nennen, inzwischen einer technologisch befeuerten Spaltungstendenz unterliegt, die gleichwohl von einer wolkigen Einheitsillusion eingehüllt ist.

Claudia Larchers „Me, myself and I“ macht nichts weniger, als dieses Aufsplitterungs- und gleichzeitige Resynthetisierungsmoment in eine produktive Kollision miteinander zu führen. Die Versuchsanordnung dafür ist so einfach wie bestechend: Larcher hat ein GAN (Generative Adversarial Network) mit 350 Fotografien ihrer selbst (bis zum Alter von 24 Jahren) gespeist, woraus ein kontinuierlich sich verformender Bilderfluß entstand, in dem noch weitere, über die Originalfotos hinausgehende Identitätsansichten enthalten sind. Babyface, Mädchenkopf, junge Frau, fast forward ins hohe Alter und wieder zurück zum Kleinkindhaften – das alles in einem unentwegt vor sich hin morphenden, das Eine unmerklich im Nächsten aufgehen lassenden Strom. Inszeniert wird so ein digital vermitteltes Werden, das zu gleichen Teilen ein produktives Verschwinden wie eine ständige Neuerschaffung anzeigt – die Löschung alles Vormaligen, bis hin zu kompletter Abstraktion, bei gleichzeitiger Neukonstitution und Vorwegnahme des noch Kommenden. Groteske Deformation trifft auf fratzenhafte Refokussierung, organisch-synthetisch-hybrid, wobei wiederholt auch eine lachhafte Gesichterkomik aufblitzt, wie man sie von Snapchat- und anderen Bildbearbeitungsfiltern kennt.


Dass all dem keine wie immer geartete Mastererzählung zugrunde liegt, darüber, was KI kann oder möglicherweise will, belegt die Tonspur. Hier hat Larcher Dialoge, die sie mit diversen Chatbots über Identität geführt hat, zu einem Skript verarbeitet, das Bruchstücke der Ich-Wahrnehmung multidirektional miteinander verschaltet. Die „reflexive Selbstreferenz“, die dabei immer wieder als Kern jeder Identität angesprochen wird, ist womöglich selbst nicht mehr als ein Platzhalter für eine nicht im Zaum zu haltende Vielheit. Oder für den Rand einer Nichtexistenz, der sich in den munter vor sich hin delirierenden Porträtfetzen ebenso betörend ausdrückt.
(Text von Christian Höller für sixpackfilm)