2. – 28. April 2018
Eröffnung am 2. April – Ostermontag, 17 Uhr.
Zur Ausstellung spricht Karlheinz Pichler.
Finissage mit Konzert am 3. Mai um 19 Uhr mit Muscle Tomcat Machine – Manfred Engelmayr, Bernd Heinrauch, David Reumüller – gesponsert von
Die Linie als gemeinsamer Nenner
Um den in Wolfurt lebenden Keramik- und Konzeptkünstler sowie Zeichner Ferdinand Ruef ist es in den letzten Jahren ausstellungsmäßig etwas ruhig geworden. Wenn man etwas von ihm hörte, dann zumeist dann, wenn er wieder einmal einen Preis an Land gezogen hatte. Wie zum Beispiel im vergangenen Herbst, als er im Rahmen der „Potentiale“ Feldkirch mit dem „Lava Award“ ausgezeichnet wurde. Er erhielt den mit 3.000 Euro dotierten und vom Land Vorarlberg finanzierten Preis für eine 80 Zentimeter messende Schale aus seiner aktuellen Keramikkollektion, die laut Jury „durch handwerkliche Sorgfalt und gestalterische Leichtigkeit besticht“. Anzumerken ist, dass Ruef immer wieder mal zwischen angewandter und bildender Kunst hin und her switchte.
Nach mehrjähriger Abstinenz präsentiert sich nun Ruef im April erstmals wieder auf dem öffentlichen Parkett der Kunst. Konkret stellt er gemeinsam mit dem 1979 im steirischen Gaal geborenen und heute in Graz lebenden und arbeitenden Maler, Zeichner, Filmer und Musiker David Reumüller aus. Grundsätzlich arbeiten diese beiden Künstler, was Material, thematische Versuchsfelder und Realisierungsstrategien anbelangt, überaus unterschiedlich. Für ihre Ausstellung in Bregenz haben sie aber dennoch einen formalen Schnittpunkt, eine gemeinsame Ausgangslage gefunden, nämlich Linie und Zeichnung. Die Linie, die in eine Zeichnung übergeht, Linie und Zeichnung, die sich in der Malerei wiederfinden. Oder Linie und Zeichnung als Teil einer Installation und des Trägermaterials Porzellan. Die konventionelle Variante auf Papier ist für einmal nicht anzutreffen. Strukturen, Gerüste und Linienversuche stellen die Motive der Ausstellung dar, der Strich ist das Ausgangsmaterial.
Kombination von uralter und neuer Technik
Ferdinand Ruef, Jahrgang 1966, präsentiert in Bregenz Zeichnungen auf Porzellantäfelchen im DIN-A5-Format. Da er sich in den letzten Jahren intensiv mit Keramik und auch mit der Zeichnung auseinandergesetzt hat, versucht er für die Ausstellung in der Galerie Lisi Hämmerle diese beiden Techniken miteinander zu verbinden. Das Spezielle daran ist, dass die Zeichnungen einen digitalen Ursprung haben. Der Künstler hat auf dem Tabletcomputer mit Linien herumexperimentiert, die sich dann immer mehr zu zeichnungsartigen Gebilden, zu fiktiven Porträts und figurenartigen Landschaften verdichtet haben.
Zeichnung kann sowohl ein Festhalten als auch ein In-Bewegung- Setzen von Gedanken und Dingen sein. Man zeichnet, um etwas aufzuzeichnen und somit festzuhalten. Man zeichnet aber auch, um Festgehaltenes zu verändern und neue Lösungen oder sogar neue Probleme zu finden. Zeichnungen sind gleichsam materialisierte Gedanken. Üblicherweise geschieht dies mit einem Stift auf Papier. Bei Ruef geschieht diese Visualisierung von Gedanken über einen Touchscreen. Die Zeichnung „gefriert“ nicht auf dem Blatt, sondern wird als flüchtiges, binäres File im Speicher des Tablets abgelegt. Erst durch die Übertragung auf das Porzellan werden die Linien und Zeichnungen materiell manifest. Natürlich könnte der Künstler die digitalen Daten immer wieder aus dem Speicher abrufen und neu bearbeiten. Er tut es aber nicht. Er belässt die strichgewordenen gedanklichen Umsetzungen in ihrer digitalen Ursprünglichkeit. Und er hat Hunderte davon angefertigt. Die Striche und Zeichnungen selber wirken, nicht zuletzt als Folge ihrer Schnelligkeit im Entstehen, teils nervös und fahrig, als ob sie autistisch gesetzt wären. Sind es nur Kritzeleien, Skizzen oder schon fertige Werke? – Die Frage bleibt offen. Es ist ein Spiel mit Strich und Linie, Skizzenhaftes kommt nüchtern und unaufgeregt daher.
Für den Transfer der Linien und Zeichnungen auf das Porzellan verwendet Ruef Druckklischees. Die Darstellungen werden auf die Klischees übertragen und mithilfe dieser auf das Porzellan gedruckt. Damit nimmt auch die Widersprüchlichkeit ihren Lauf. Archaisches Material wird zum Träger digitaler Zeichnungen. Flüchtige Daten werden auf dem uralten Material Porzellan gleichsam für die Ewigkeit gespeichert. Jahrhundertealte und neueste Techniken verbünden sich.
Malerei als Ergebnis eines durchkonzipierten Prozesses
Spielt bei Ferdinand Ruef die gedankliche, ja fast autistische Spontaneität eine zentrale Rolle, so sind die Zeichnungen, Gemälde und Installationen von David Reumüller, der auch Mitglied der Band „Muscle Tomcat Machine“ ist, das Ergebnis von völlig durchkonzipierten Prozessen. So umhüllt oder überlagert er etwa menschliche Körper oder Gebrauchsoberflächen, fotografiert diese Anordnungen digital und entwickelt sie am Computer zu fertigen Bildkompositionen weiter. Das solcherart digital erzeugte Bild überträgt er dann 1:1 mit Acrylfarbe auf die Leinwand. Für die Ausstellung in Bregenz hat er auf diese Art und Weise ein monumentales, drei Meter breites und 1,30 Meter hohes Acrylgemälde geschaffen, auf dem sich mit Textilien verhüllte, liegend aneinandergereihte Menschen zu einem landschaftsartigen in Schwarz-Weiß gehaltenen Gebilde zusammenfügen. Erst auf den zweiten oder dritten Blick eröffnet sich dem Betrachter, dass menschliche Körper den formalen Ausgangspunkt für diese ornamental angelegte Landschaft, die auch einer Zeichnung nahekommt, darstellen.
Das Spiel mit Oberflächen und retinalen Herausforderungen sind zentrale Elemente im Vorgehen Reumüllers. Genauso wie auch der analytische Umgang mit der Perspektive. Im Rahmen der Ausstellung wird dies anhand der Installation sichtbar, die dem äthiopischen Gerüstbau nachempfunden ist. Als der Steirer Äthiopien besuchte, war er von der schwindelerregenden Kunstfertigkeit der dortigen Baugerüste aus Eukalyptusholz derart angetan, dass er darauf als formales Vorbild zurückgriff. In Ermangelung dieses Materials verwendet er für die Installation in der Galerie Lisi Hämmerle Erlen- und Eschenhölzer, die er schwarz bemalt. Die schwarze Farbe soll dabei auf die Linie verweisen.
Somit steht das Gerüst wie eine dreidimensionale Skizze im Raum. Eine Skizze, die sich zeichnerisch nachgebildet auf den Wänden der Galerie wiederholt. Wie bei seinen performanten Aufführungen und Videos geht es Reumüller auch bei seinen bildnerischen Kompositionen und Installationen um die Konstruktion und Dekonstruktion von Bild und Abbild, aber auch um die Beschaffenheit individueller und kultureller Identität.
Karlheinz Pichler – Kultur, April 2018